Neun Norderstedter erkämpfen Punkt gegen St. Pauli

Schiedsrichter: Giulio HorneyLinienrichter: Pascal Bär, Lennart Wolff
Zuschauer: 452
Hitziges Stadionderby
Spielbericht vom 18. August 2024
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Normalerweise sind Spiele zwischen unserer Mannschaft und dem Kieznachwuchs immer geil. Enge Partien, spielerisch hohes Niveau und immer Feuer unter dem Dach. Auch dieses Mal war es eng, von Anfang an war mächtig Feuer drin – allerdings kein spielerisches Feuer. Denn mit Fußball hatte das Stadionderby gegen die U23 des FC St. Pauli nur am Rande etwas zu tun.
Von Anfang an war das Spiel geprägt von Nickligkeiten, Unsportlichkeiten und Diskussionen. Warum konnten die Verantwortlichen beider Vereine auch im Nachgang nicht sagen, schließlich haben beide Seiten eigentlich ein sehr gutes Verhältnis zueinander. Damit machte man es dem Schiedsrichtergespann um Giulio Horney (Werder Bremen) von Anfang an unglaublich schwer – und überspannte dessen großzügige lange Leine maßlos.
St. Pauli hatte im ersten Durchgang mehr vom Spiel, konnte sich in vorderster Linie allerdings nichts in Szene setzen. Die erste nennenswerte Aktion des Spiels wurde mit einem langen Ball auf der linken Seite eingeleitet. Florian Meier drang in den Strafraum ein und legte zurück auf Kangmin Choi, der für den angeschlagenen Manuel Brendel startete – und die Kugel aus sieben Metern an die Latte setzte. Unser siebter (!) Aluminiumtreffer im vierten Spiel (20.).
Es war für lange Zeit die einzige Torchance im Spiel. Dann wurde Kangmin Choi steil geschickt, legte den Ball an Kevin Jendrzej vorbei und wurde vom Torhüter der Gastgeber von den Beinen geholt. Elfmeter! Vorher machte Jendrzej noch ordentlich Theater und sah dafür die gelbe Karte. Ersin Zehir ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen und brachte unsere Mannschaft mit 1:0 in Führung (38.). Statt großem Torjubel ließ sich nun auch Zehir zu einer Provokation gegen Jendrzej hinreißen und sah ebenfalls gelb.
Mehr nennenswertes mit Fußballbezug passierte im ersten Durchgang nicht. So wurde man im Vorbeigehen von der Haupttribüne gleich mehrfach angesprochen „Mach mal, dass es ein vernünftiges Spiel wird“. Ja nee, ich kann nicht kicken, nur tippen. Und Sachen schönschreiben. Aber heute nicht mal das.
Denn die gesamte Unruhe der ersten Halbzeit, das ständige „Ey, Schiri“, das ständige Fordern von Freistößen und das ständige „Da war doch nichts, der tut nur so“ nervte alle Außenstehenden einfach massiv… schon da mutmaßten wir im Liveticker, dass das Spiel nicht mit 22 Spielern auf dem Platz enden würde. Wir sollten recht behalten, denn das Theater setzte sich auch im zweiten Durchgang fort.
Doch zunächst wurde Nick Selutin steil geschickt, der allein vor Torhüter Jendrzej auftauchte. Der machte sich breit und konnte den zweiten Treffer verhindern (51.). „Da wählen wir ein bißchen den falschen Weg, sonst hätten wir auf 2:0 stellen können“, bedauerte Trainer Jean-Pierre Richter. „Und zehn Minuten später ist alles für die Katz.“
Nick Selutin sprang mit gestrecktem Bein in eine Flanke hinein und traf damit den herausstürzenden St. Pauli-Torhüter am Kopf. Wenn jemand das legendäre Foto von Tim Wiese und Ivica Olic vor Augen hat – das kam dem sehr ähnlich. Sofort entschuldigte sich Selutin beim Torhüter, doch der Schaden war angerichtet. Auf dem Spielfeld eskalierte es nun völlig, alle St. Paulianer stürmten auf Selutin zu, es ging im Strafraum hin und her. „Das tut mir sehr leid für den Torwart von St. Pauli“, schickte Trainer Richter nach der Partie Genesungswünsche Richtung Kiez. „Ich glaube man hat gesehen, dass es keine Absicht war, „Selu“ hat sich sofort entschuldigt. Wir wünschen dem Keeper von St. Pauli maximale Genesung und gute Besserung, das ist erst einmal das Wichtigste.“
Das Schiedsrichtergespann zog sich zur Beratung zurück und verteilte gleich zwei Platzverweise. Dem bereits gelb verwarnten Nick Selutin kam dabei zugute, dass es zweifellos keine Absicht war, so dass der Schiedsrichter es bei einer gelben Karte beließ und ihn „nur“ mit Gelb-Rot vom Platz schickte. Zudem musste auch der zur Halbzeit eingewechselte Luis Coordes das Spielfeld verlassen – er sah wegen einer Tätlichkeit glatt rot.
„Ich glaube, es ist immer etwas kritisch, wenn man so einer Situation nur eine Mannschaft und das dann doppelt bestraft. Ich will uns da nicht freisprechen von Fehlern, ich denke schon, dass die Jungs da auch zurecht bestraft worden sind. Es war dann am Ende nur ein bisschen unglücklich in der Auslegung gegen uns. Ich glaube, da haben auch viele noch ganz viel auf der anderen Seite gesehen.“ Und spielte damit unter anderem auf St. Paulis Emil Staugaard an, der wiederum für seine Tätlichkeit an Nick Selutin mit der gelben Karte davonkam, wird wohl als eines der ungelösten Mysterien in die Geschichte eingehen (65.). Unschön: Beim Verlassen des Spielfeldes soll es eine Tätlichkeit eines Zuschauers gegen Selutin gegeben haben!
Und so hieß es für die letzte halbe Stunde neun gegen elf. Besser wurde es trotzdem nicht. Ständig lag jemand am Boden, ständig gab es Diskussionen und Theater. Jonny Richter gab von außen immer wieder Kommandos, mahnte seine Jungs, sich auf sich und ihr Spiel zu konzentrieren und sich nicht mit Dingen zu beschäftigen, die sie nicht beeinflussen können.
St. Pauli tat in Überzahl deutlich mehr für die Offensive, doch unsere Abwehr sollte zunächst halten. Für Phil Sieben, der viel gearbeitet hatte (und viel gefoult wurde), kam Nathan Winkler in die Partie, um nach vorne für Entlastung zu sorgen. Das tat der junge Franzose sehr gut, führte sich gleich mit einem gefährlichen Torschuss ein (76.).
Und beinahe hätte es sogar 2:0 geheißen: Ersin Zehir passte auf Manuel Brendel, der direkt abzog – Staugaard warf sich in den Ball und klärte zur Ecke. Nun war das Publikum voll da und unterstützte unsere Mannschaft bei jedem Ballgewinn, bei jeder guten Aktion nach vorne (78.).
St. Pauli konnte sich vorne weiterhin selten in Szene setzen. Ein Schuss von Selcuk (77.) ging drüber, dann packte Arne Exner sicher zu (81.), Max Herrmann setzte einen Freistoß knapp über das Tor (85.). Im Gegenzug war es erneut Nathan Winkler mit einem Schuss, den Kolvenbach nicht festhalten konnte – Manuel Brendel verpasste den Abpraller knapp (86.). Und dann musste Arne Exner doch noch hinter sich greifen. Eine Hereingabe von der linken Seite fand in der Mitte den aufgerückten Peer Mahncke, der aus kurzer Distanz vollendete (88.).
„Dass wir so lange mit neun Mann die null gehalten haben, zeigt auch, was für einen Charakter wir als Mannschaft haben, mit welcher Widerstandsfähigkeit die Jungs dann auch füreinander einstehen. Denn mit zwei Feldspielern weniger ist es nicht nur intensiv, sondern dann auch irgendwann nicht mehr verteidigen. Da hat man dann kurz vor dem Ende gesehen, dass da auch meiner durch rutscht.“
Davon ließ sich unsere Mannschaft trotz des hohen Aufwandes nicht aus dem Konzept bringen – langer Ball auf Brendel, der Richtung Strafraum marschierte und von Emil Staugaard gelegt wurde. Mit 25 Minuten Verspätung musste der St. Pauli-Abwehrspieler dann doch noch mit der Gelb-Roten Karte vom Platz (90.+1).
Einen Aufreger gab es am Ende noch, der die Zuschauer endgültig auf die Seite unserer Mannschaft brachte: Nachdem wir den Ball zur Behandlung eines Spielers ins Aus spielten, kam von der Bank der Gastgeber das Kommando, den Ball nach dem Einwurf nicht zu unserer Mannschaft zurückzuspielen, was diese dann auch nicht tat – die Reaktion der Zuschauer sprach Bände (90.+3). Wenig später hatte auch das Schiedsrichtergespann genug und pfiff die Partie ab.
Auf Grund des Spielverlaufes zeigte sich unser Trainer zufrieden. „Es war ein intensives Spiel. Wir bleiben in dieser Saison weiterhin ungeschlagen. Auch wenn es zum Ende hin ein bisschen schwieriger war mit zwei Feldspielern weniger, haben wir das lange gut gemacht.“ Besonders freut sich Richter über den Zusammenhalt am heutigen Nachmittag. „Wir haben als Mannschaft viel Charakter, Herz und Courage auf dem Platz gelassen. Man hat auch gemerkt, dass nicht nur die elf Spieler auf dem Platz und der Staff, sondern vor allem auch die ganze Tribüne und alle Norderstedter Zuschauer mitgeholfen haben, dass wir das Spiel ungeschlagen überstehen.“
Für das Rückspiel bleibt zu wünschen, dass alle Beteiligten mal ein bisschen runterfahren und wir im Herbst dann das Spiel sehen, was wir aus den vergangenen Spielen der beiden Mannschaften kennen. Guten Fußball, Leidenschaft, Action – aber fair und ohne diesen ganzen Quatsch, den kein Mensch braucht.
Für uns geht es bereits am kommenden Dienstag mit dem Pokalspiel beim Niendorfer TSV weiter. Da wird bestimmt schon das Regelbuch gewälzt, wer denn am Dienstag von den beiden Spielern, die einen Platzverweis bekommen haben, spielen darf und wer nicht… Die Antwort haben wir aber natürlich schon: Luis Coordes ist auf Grund seiner glatten roten Karte wettbewerbsübergreifend gesperrt, Nick Selutin wird am nächsten Sonntag in Kiel aussetzen müssen, kann aber in Niendorf spielen, da Gelb-Rote Karten nur innerhalb des jeweiligen Wettbewerbes gelten.