Der 26jährige defensive Mittelfeldspieler Philipp Koch ist schon seit jungen Jahren unser Kapitän und steht wie kaum ein anderer für Eintracht Norderstedt.  Er stand uns eine Stunde lang Rede und Antwort zu verschiedensten Themen. (Das Interview wurde am Tag nach dem BU-Sieg und der Auslosung im Oddset-Pokal geführt).

EN: „Hallo Philipp, erst einmal vielen Dank, dass du dir Zeit genommen hast, uns Rede und Antwort zu stehen. Und natürlich herzlichen Glückwunsch zum Erreichen des Halbfinales im Oddset-Pokal. Fürs Halbfinale wurde uns Concordia zugelost. Ein gutes Los?“

PK: „Das ist, glaube ich, das schwerste Spiel was wir hätten kriegen können.“

EN: „Schwerer als Altona auswärts?“

PK: „Ja! Cordi ist sehr heimstark und es ist ein fieser Kunstrasenplatz. Der soll relativ klein sein und wenn man nicht viel Platz hat, kann das auch mal sehr schnell gehen. Die kennen das alles… da habe ich auf jeden Fall Respekt vor. Aber keine Angst.“

EN: „Und idealerweise dann gegen Altona, Hamburger Traumfinale und Rückspiel vom letzten Jahr?“

PK: „Liebend gerne. Wobei… wenn Fußball ein Film wäre, müsste ja jetzt eigentlich Altona gewinnen. Von wegen Revanche geglückt und so… Aber letztlich ist es mir egal, wer kommt. Ich hätte auch niemals gedacht, dass Dassendorf sich die Blöße gibt und bei HR verliert. Aber das macht HR vielleicht sogar noch gefährlicher als alle anderen Mannschaften.“

EN: „Vom aktuellen Geschehen zu dir… Kannst du uns ein bißchen was über dich erzählen? Wer bist du und was macht du, wenn du nicht gerade auf dem Platz stehst?“

PK: „Wenn ich nicht gerade Fußball spiele, studiere ich im dritten Semester Wirtschaftspsychologie. Vorher habe ich bereits eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann gemacht. Deswegen habe ich auch erst jetzt angefangen zu studieren, ansonsten wäre ich ja schon etwas zu alt dafür mit 26 Jahren.“

EN: „Ihr trainiert fast täglich, dazu die Spiele… bleibt neben Studium und Fußball überhaupt noch Zeit für Privatleben?“

PK: „Am Wochenende oder unter der Woche abends nach dem Training geht das schon. Ich studiere ja und muss nicht zwingend morgens um acht auf der Arbeit sein. Wenn ich dann nach dem Training einen Kumpel anrufe und sage „wir haben uns letzte Woche nicht gesehen, ich komm mal eben vorbei“, dann passt das auch. Und ansonsten spiele ich halt Fußball. Wie heißt es so schön: Die Work/Life-Balance passt.“

EN: „Also ist der Hauptfokus schon Fußball…“

PK: „Das sollte nicht so sein, aber es ist manchmal schwer, dem Kopf das so zu sagen.“

EN: „…und nebenbei ein bißchen studieren?“

PK: „Nein, das ist natürlich nicht so. Also, falls mein Vater das jetzt liest…“ (lacht) „Es ist schon schwer. Alle, die so hoch Fußball spielen, wissen, dass das quasi das Ende der Fahnenstange ist. Wenn man jetzt Ante (Kutschke) oder Hamo (Hamajak Bojadgian) fragt sagen die ‚vielleicht werde ich nochmal Profi‘, okay. Aber ich mit 26 Jahren wahrscheinlich nicht mehr. Dewegen ist es schwer dem Kopf beizubringen, dass er dem Herzen sagt ‚Du, Studium ist wichtiger.‘ Und wenn du dann einmal nicht zum Training kannst, weil eine wichtige Klausur ansteht, dann ist das eben so. Bis jetzt ist es noch nicht vorgekommen, dass ich deswegen ein Training verpasst habe, aber kann passieren.“

EN: „Generell ist Regionalliga ja die Liga, die den Spielern durch die Kombination Job und Leistungs-Fußball am meisten abverlangt. Wie kriegt man das unter einen Hut? Wie sieht der Tagesablauf für einen Regionalliga-Kicker aus?“

PK: „Das ist jetzt im Studium auf jeden Fall deutlich entspannter als vorher in der Ausbildung. In der Ausbildung war das brutal. Morgens um halb acht aus dem Haus, um acht war ich auf der Arbeit und hatte dann um fünf Feierabend. Hat mir aber nichts gebracht, weil es sich nicht gelohnt hat, nach Hause zu fahren, nur um da eine Stunde rumzusitzen. Dann in den Kraftraum, zum Training und um zehn abends war ich zu Hause. Dann hast du kurz was gegessen und bist schlafen gegangen. Und das ging unter der Woche an vier von fünf Tagen so. Samstag war frei. Und wenn du dann als Worst Case-Scenario Sonntag nachmittag noch in Meppen gespielt hast, kommst du Sonntag abend um zehn nach Hause und denkst auch ‚Geil, und das war jetzt mein Wochenende?‘ Das war schon sch…wierig. Es ist für den Menschen die anspruchsvollste Liga. Ab 3. Liga sind Profis und unterhalb der Regionalliga kannst du halt auch mal sagen ‚Nee, komm, heute schaffe ich das nicht mit Training.‘

EN: „Wann und wo hat das mit dir und dem Fußball angefangen?“

PK: „Mit fünf, sechs Jahren habe ich bei TuRa Harksheide angefangen, weil man Vater damals da gespielt hat. Da habe ich dann drei, vier Jahre gespielt. Dann haben meine Trainer bei TuRa aufgehört und ich bin über einen Schulfreund, der beim HSV gespielt hat, dorthin gegangen und habe da dann drei Jahre gespielt. Das ist daran zu Grunde gegangen, dass der HSV dort den Schnitt zum Leistungsfußball gemacht und entschieden hat, wer bleiben darf und wer nicht. Und der damalige Trainer war ein Vater, der eigentlich Handball-Torwart war. Das ist jetzt nicht unbedingt eine Qualifikation um entscheiden zu können, wer gut genug ist und wer nicht… Vielleicht wäre es anders gelaufen, wenn da jemand mit mehr Fußballerfahrung gewesen wäre, wer weiß. Jedenfalls haben sich dann zwanzig Eltern dahin gestellt und gesagt ‚so geht das nicht‘ und den Verein mit ihren Kindern verlassen. Seit 2003 bin ich bei Eintracht.“

EN: „Im Interview mit deinem Vater meinte er, du bzw. die Jungs aus deiner damaligen Mannschaft sind der Hauptgrund dafür, dass es Eintracht Norderstedt überhaupt gibt.“

PK: „Ja… das ist natürlich jetzt ein bißchen überspitzt. Damals gab es ja die Fußballer vom SCN noch, die haben damals noch in der Oberliga, der heutigen Regionalliga, gespielt, hatten am Ende aber finanzielle Probleme und hätten sowieso absteigen müssen. Da stand schon im Raum, dass er gemeinsam mit Horst Plambeck einen neuen Verein gründen wollte. Vielleicht habe ich da auch eine Rolle drin gespielt mit dem Ausblick darauf, was vernünftiges neues in Norderstedt aufzuziehen, ja.

EN: „Also eher Auslöser als Grund?“

PK: „Ja. Vielleicht hätte er sonst auch gesagt ‚Komm, Golf macht auch Spaß.‘ Es stimmt vielleicht so zur Hälfte. Dass ich der Grund dafür bin, möchte ich vielleicht auch selbst gar nicht so wahr haben.“

EN: „Dadurch, dass du mehr oder weniger von Anfang an dabei bist, bist du im Verein ja auch tief verwurzelt. Du hast mal gesagt, dass du dir nicht vorstellen könntest, jemals den Verein zu wechseln. Aber was passiert, wenn der Trainer dir irgendwann mal sagt ‚sorry, Philipp, es reicht nicht mehr.‘“

PK: „Dann haben wir eine zweite Mannschaft. Ernsthaft. Ich würde mir persönlich keinen Gefallen damit tun, zu einem anderen Verein zu gehen, weil ich wüsste, dass ich nicht mit dem Herzen dabei wäre. Klar könnte man sich in der Oberliga Hamburg umgucken, aber das wäre dann mehr so ‚joa, ich gehe dann da hin… geil ich krieg auch noch Geld dafür…‘ aber so richtig interessieren würde es mich nicht. Es ist nun mal so: Ich wohne fünf Minuten vom Platz weg, das hier bei Eintracht ist für mich eine Herzenssache.“

EN: „Also Studium abschließen, Geld verdienen und nebenbei dann noch for fun in der Zwoten mitspielen?“

PK: „Ja. Mein bester Kollege spielt auch in der zweiten Mannschaft… wenn es so käme, dann würde ich für die Zwote spielen, das hat sich nicht geändert und das wird sich wohl auch nicht ändern.“

EN: „Und wenn du dann die Schuhe irgendwann an den Nagel hängen musst, beerbst du deinen Vater und wirst neuer Präsident?“

PK: „Das steht irgendwie immer so im Raum, oder?“ (lacht) „Noch habe ich ja hoffentlich zehn Jahre auf dem Platz. Und dann muss man mal gucken. Wenn es sich ergibt, dann gerne. Wenn es sich nicht ergibt, dann nicht. Ich wäre der letzte der sich hinstellt und sagt ‚ich muss das jetzt aber machen‘. Wenn es jemanden gibt, der das besser macht als ich, gar kein Problem.“

EN: „Und ansonsten machst du Jugendtrainer?“

PK: „Wenn ich dem Verein dann irgendwie weiterhelfen kann, mache ich das sehr gerne. Wenn ich ihnen mehr damit helfen, dass ich weg bleiben, dann bleibe ich eben weg.“

EN: „Du bist Norderstedter durch und durch. Wie wird man da trotzdem Bayern-Fan?“

PK: „Durch seinen Vater.“

EN: „Aber in der Zeit, wo sich das Fandasein prägt, war er doch Präsident vom FC St.Pauli, oder?“

PK: „Ja, aber insgeheim trägt er trotzdem einen Bayern-Schal… das war schon immer so. Wenn ihn am Fußball irgendwas aufregt, ist das in erster Linie Eintracht Norderstedt. Aber in derselben Lautstärke regt er sich über Bayern auf.“

EN: „Du bist ja nicht nur Kapitän, sondern auch noch Präsidenten-Sohn. Hast du dadurch irgendwelche Vor- oder Nachteile oder machst du dir vielleicht dadurch auch selber mehr Druck?“

PK: „In der Jugend schon. Aber jetzt eigentlich nicht mehr. Das mal ein Trainer gesagt hat ‚den schleife ich jetzt richtig‘, kann ich mir nicht vorstellen. Das sind dann eher Sachen, die man selbst mit sich rumträgt, wo man dann denkt ‚der ist doch besser als ich, wieso spiele ich und nicht der‘. Da denkt man manchmal schon ‚Mein Vater ist Präsident, wahrscheinlich spiele ich nur deswegen, denn so toll bin ich gar nicht.‘ So ins Gesicht gesagt hat mir das keiner, das ist eher eine Sache, mit der ich mir das selber schwer gemacht habe.“

EN: „Hat dich das dann zusätzlich noch mehr motiviert?“

PK: „Ja, das war auf jeden Fall so. Ich will keinem die Chance geben zu sagen, dass es so ist, da treibe ich dann eben mehr Aufwand für. Was ich zu Anfang meiner Herrenkarriere lernen musste, war laufen. Das war früher so schlecht. Einigermaßen Fußball spielen konnte ich immer, aber ich war nie schnell und konnte nicht laufen, das war immer das größte Problem. Irgendwie hat es klick gemacht. ‚Wenn du nicht schnell laufen kannst, musst du viel laufen‘. Je mehr du dafür tust, desto besser wird es. Aber spätestens seit ich Kapitän bin, ist da immer noch ein Stück mehr Arbeit dahinter. Als Kapitän darfst du dir keine Schwächen erlauben. Wenn alles den Bach runtergeht, musst du immer noch da sein.“

EN: „Welche Bedeutung hat das Kapitänsamt für dich?“

PK: „Ich bin ja mit 22 Jahren schon relativ jung Kapitän geworden, in unserer Aufstiegssaison. Am Anfang war es ein Fluch. Das war ganz schlimm für mich. Ich bin nicht der große Rumschreier. Mittlerweile geht es aber. Jetzt schreie ich rum, wenn ich selber scheiße spiele weil ich merke, dass das vielleicht der ein oder andere braucht. Aber am Anfang wusste ich nicht, was mich erwartet, habe mir vielleicht auch selber zu viel Druck gemacht, dass ich nun die Stimme der Mannschaft bin. Ich wusste nicht, wie ich damit umgehen soll. Es heißt ja immer, der Kapitän ist derjenige, der auch mal auf den Tisch hauen muss. Und das bin ich nunmal nicht. Verstellen wollte ich mich auch nicht, das merken die anderen und dann wird man unglaubwürdig. Das hat sich aber jetzt alles gefunden, auch wenn ich nie derjenige sein werde, der groß rumschreit. Muss ich auch nicht, ich muss dafür sorgen, dass alle – wie auch immer – für das gleiche Ziel arbeiten und es gruppendynamisch läuft.“

EN: „Das Gleichgewicht in der Mannschaft scheint auf jeden Fall zu stimmen, wobei auch der Eindruck entsteht, dass ihr das so ein bißchen auf mehrere Schulter verteilt habt. Auf dem Feld wirkt es so, als ob Marin Mandic auch so ein halber Kapitän ist.“

PK: „Absolut. Marin, Deran Toksöz, Jerry Karikari. Bei Dortmund heißt es so schön: wir haben eine flache Hierarchie. Bei uns kann jeder was sagen. Natürlich gibt es einige, bei denen man es ernster nimmt als bei anderen, was ja völlig normal ist. Wenn ich damals mit 19 Jahren den Mund aufgemacht hätte, hätte unser damaliger Kapitän Dennis Gersdorf mir den Vogel gezeigt und gesagt ‚ich wusste gar nicht dass du sprechen kannst‘. Die Jungs machen es mir wirklich einfach, weil sie eben auch wissen, dass ich mich da nicht hinstelle und meine, alleine bestimmen zu können. Bei uns ist es immer eine Gruppenentscheidung.“

EN: „Als Kapitän übernimmst du auch bei Standard-Situationen die Verantwortung, deine Freistöße sind eine echte Waffe. Was ist das Geheimnis dahinter, trainierst du die gesondert?“

PK: „Das stammt noch aus der Grundschulzeit. Laufen hat mir noch nie Spaß gemacht, also habe ich mich auf den Platz gestellt und immer nur geschossen. Hätte man damals gewusst, dass ich so lang werde, hätte man mir den Ball vielleicht weggenommen und gesagt ‚geh mal lieber in die Mitte, da kannst du vielleicht mal ein Kopfballtor machen‘. Da das aber keiner gesagt hat und ich bis zur A-Jugend auch nur 1.75 m groß war, hieß es immer ‚der kann einigermaßen schießen, der macht bei uns die Freistöße‘. Das hat sich so durchgezogen. Jetzt ist es natürlich so, dass man sich nach dem Training nochmal die Bälle schnappt und guckt, wie die Dinger so fliegen. Das mache ich aber nicht regelmäßig, sondern nur dann, wenn ich es notwendig finde und weil ich weiß, dass man sich da auf mich verlässt.“

EN: „Wo siehst du neben Freistößen deine weiteren Stärken und Schwächen auf dem Platz?“

PK: „Ich bin für meine Größe eindeutig zu kopfballschwach. Einen Offensivkopfball habe ich gar nicht. Der wird aber auch nicht so oft gebraucht. Hin und wieder mal einen Ball wegköpfen kriege ich hin, da ist aber auch noch Luft nach oben. Der Schnellste werde ich auch nicht mehr… deswegen muss ich gut im Zweikampf sein, sonst heißt es ‚Gelbe Karte oder der Gegner ist weg‘. Ich habe kein Offensiv 1:1, ich kann schwer Leute mit dem Ball am Fuß ausspielen. Wenn, dann mache ich das eher mit Auge als mit einem Übersteiger.“

EN: „Als Stärke dann neben den Standards auf jeden Fall dein gutes Auge?“

PK „Ja. Weil ich weiß dass ich an keinem vorbei laufe, haben ich eben aus einer Schwäche eine Stärke gemacht. Ich brauche nicht mehr als zwei, drei Ballkontakte… weil bringt nix (lacht). Da spiele ich den Ball lieber weg. Dann habe ich das Problem nicht und eine Schwäche weniger, weil es nicht weiter auffällt. Beim ersten Ballkontakt wäre ich gerne ein bißchen mehr Iniesta-like was die Ballan- und mitnahme angeht.“

EN: „Zu deinen Stärken gehörte auch das leidige Thema Elfmeter. Du warst ein bombensicherer Elfmeterschütze, hast gefühlt jahrelang jeden Elfmeter verwandelt und dann einmal – ich glaube in einem Testspiel gegen Neumünster – verschossen, seitdem ging gar nichts mehr. Ist das so eine Kopfgeschichte?“

PK: „Das ist nur der Kopf. Nichts anderes. Ich glaube in über zwei Jahren hatte ich nur einmal in Rehden einen verschossen. Los ging das in einem Testspiel. Wobei der Elfmeter sogar richtig gut geschossen war. Ich habe den Torwart ausgeguckt. Der hat aber gedacht er würde mich ausgucken. Also habe ich ihn doppelt ausgeguckt, dann den Ball aber gegen den linken Innenpfosten geschossen, von da ist er gegen den rechten Innenpfosten und dann lag der Ball auf der Linie und der Torwart hat ihn aufgenommen. Dann ging es weiter in Schilksee, da ist irgendwas passiert. Denn die nächsten drei habe ich alle links übers Tor geschossen und der Torwart lag jedes Mal unten rechts in der Ecke. Es gab keinen Grund den Ball höher als Kniehöhe zu schießen. Gegen Wolfsburg war sich keiner sicher, da habe ich gesagt ‚okay, als Kapitän gehe ich vorweg‘… hätte ich mal lieber Felix (Drinkuth) schießen lassen sollen. Aber gut, das Thema Elfmeter ist abgehakt. Wenn wir im Elfmeterschießen im Pokal fünf Schützen brauchen, bin ich dabei. Aber sonst sollen das andere machen.“

EN: „Im Laufe der Hinrunde saßt du für ein paar Spiele auf der Bank. Wie hast du das wahr genommen?“

PK: „Das war vollkommen gerechtfertigt. Wer seine Leistung nicht bringt, spielt nicht. Ganz einfach. Und das habe ich da über einen längeren Zeitraum einfach nicht getan. Nach dem Fürth-Spiel war ich drei Wochen verletzt, dann habe ich wieder gespielt. Aber richtig schlecht gespielt. Da waren Sachen im Aufbauspiel, wo mir das Vertrauen gefehlt hat, mal einen Ball anzunehmen, abzuwarten oder einen Gegner auszuspielen. Deswegen war das absolut richtig. Ich muss ehrlicherweise sogar sagen, dass es in der Vergangenheit öfter mal Situationen gegeben hat, wo ich mich selbst rausgenommen hätte. Aber natürlich geht kein Spieler zum Trainer und sagt ‚Trainer, lass mich mal nicht spielen, läuft gerade nicht so bei mir‘. Ich hätte dann auch das Gefühl, ich würde die Mannschaft im Stich lassen. Da muss man dann auch mal Mann genug sein zu sagen: ‚auch wenn es nicht so gut läuft, haue ich mich für die Mannschaft voll rein.‘ Ich meine, laufen kann ich immer. Und wenn ich merke, das ich den Flugball über 50 Meter heute nicht genau in den Fuß spiele, dann spiele ich halt den nächsten Mitspieler an und laufe dafür mehr.“

EN: „Wenn man dann plötzlich auf der Bank sitzt, ist da mehr das Gefühl dass man einen Schuß vor den Bug bekommt und es nochmal einen neuen Anreiz gibt. Oder eher das Gefühl, dass einem die Last genommen wird und man die Möglichkeit hat, mal aus der Verantwortung rauszugehen und in sich zu gehen?“

PK; „Auf jeden Fall Zweiteres. Der Trainer hatte mir das Donnerstag schon gesagt und es war wirklich so, dass eine kleine Last von mir gefallen ist. Ich wusste ja, dass ich mich da durchschleppe und es eigentlich nicht gut ist, was ich da mache. Es tat mir wirklich gut, dass ich mal drei Wochen nur trainiert und nicht diesen Druck gespürt habe, am Sonntag mein Bestes geben zu müssen obwohl ich wusste, dass es momentan nicht geht.“

EN: „Was noch auffällt: Du hast in dieser Saison deutlich weniger gelbe Karten gesehen als sonst. Klar, du hast ein paar Spiele weniger gemacht, aber es fällt trotzdem auf. Hast du dein Spiel umgestelllt?“

PK: „Nein, gar nicht. Bis zum Greuther Fürth-Spiel war ich körperlich sehr gut auf der Höhe, dass ich das auch läuferisch lösen konnte. Ansonsten ist es auch eher ein Endprodukt von dem, wie um mich herum gearbeitet wird. Ich versuche Fehlpässe im Aufbauspiel, wo ich den Gegner umhauen muss bevor es brenzlig wird, zu minimieren. Seit dem Trainerwechsel habe ich immer noch einen zweiten Spieler neben mir, da kommen wir nicht mehr so oft in diese Situationen, wo man als letztes Glied vor der Abwehrkette dann notfalls auch mal Foul spielen muss.“

EN: „Was war in deiner bisherigen Karriere dein größter Erfolg, was würdest du als deine bitterste Niederlage ansehen?“

PK: „Wenn man in der Liga mal verliert, okay, da gibt es immer noch das nächste Spiel und solange man nicht absteigt… Aber im Pokal eigentlich jedes Mal, wenn man rausfliegt. Die bitterste Niederlage war auf jeden Fall Buchholz (Anm.: 1:3 Niederlage im Pokal-Achtelfinale 2014/2015). Zumal ich da auch selber mit dran Schuld war (Anm.: Das zweite Tor erzielte Buchholz nach einer mißratenen Kopfballrückgabe von Philipp Koch). Aber auch in den Jahren davor in Elmshorn oder beim HEBC, das war alles nicht so schön. Größte Erfolge waren auf jeden Fall der Pokalsieg und der Aufstieg in die Regionalliga. Wir haben in der A-Jugend im Pokal zwei Mal gegen St. Pauli gewonnen, das war auch sehr schön.

EN: „Das Pokalfinale wurde bundesweit live im TV übertragen. Denkt man daran? Spielt man anders, wenn man weiß, dass die Kameras einen das ganze Spiel über beobachten und jedes mögliche Fehlverhalten sofort enttarnen?“

PK: „Nee. Ich muss gestehen, ich habe damals beim Pokalfinale gar nichts mitgekriegt. Tut mir echt leid, aber ich kann mich nicht mal an eure Choreo erinnern… das erste was ich mitbekommen habe war, als es im Altona-Block laut geknallt hat und dann das Gegentor. Ich probiere da jetzt keinen Trick, nur weil ich im Fersehen bin. Nachher klappt das nicht, du kassierst ein Gegentor und machst dich zum Affen… aber nein, über die Kameras habe ich keine Sekunde nachgedacht.“

EN: „Ihr habt nicht nur Pokalfinale gespielt, sondern auch DFB-Pokal. Kann man diese beiden Spiele miteinander vergleichen?“

PK: „Das war auf jeden Fall etwas völlig anderes. Im Oddset-Pokal hat man das von uns als klassenhöherem Verein ja mehr oder weniger erwartet, dass wir das Ding gewinnen. Da war die Anspannung deutlich höher. Greuther Fürth dagegen war sicher nicht das schönste Los, die kommen von ganz weit unten und haben nicht so viele Fans mitgebracht, das war schade. DFB-Pokal ist schon was anderes, du freust dich tierisch drauf, kannst aber trotzdem einen Tick entspannter reingehen, weil du als Amateur-Verein im Endeffekt ja nur gewinnen kannst. Ich meine, wenn Yayar ins Dribbling geht und mehr oder weniger glücklich an zwei Leuten vorbei läuft, steht das ganze Stadion. Wenn er das im Pokalfinale macht, interessiert das keine Sau, weil es kein Tor war. Deswegen ist es zwar was Schönes, aber ich gewinne lieber den Oddset-Pokal.“

EN: „Das waren ja auf jeden Fall zwei Highlight-Spiele. Gibt es irgendwas, was du aus diesen Spielen mitgenommen hast?“

PK: „Aus dem Pokalfinale eigentlich nichts, muss ich sagen, außer vielleicht dass man bis zur letzten Sekunde an sich glauben muss. Beim DFB-Pokal auf jeden Fall, dass auch Zweitligisten nicht unschlagbar sind. Greuther Fürth ist ein guter Zweitligist, sie sind ja auch bekannt dafür, dass sie guten Fußball spielen. Aber hätten wir uns etwas cleverer angestellt, wäre da sicherlich ein Tick mehr möglich gewesen.“

EN: „Das heißt, man weiß jetzt, dass die auch nur Fußball spielen und wenn ihr Euch irgendwann nochmal für den DFB-Pokal qualifiziert, könnt ihr das etwas lockerer angehen?“

PK: „Auf jeden Fall mit dem Wissen, dass man mithalten kann. Viele Situationen waren so dass man dachte ‚Woa, das ist zweite Liga, da nimmst du den Ball an und musst ihn schnell wegspielen, da hast du keine Zeit‘. Das ist aber gar nicht so gewesen. Da waren viele Situation wo du den Ball hättest annehmen, dich umgucken und dann abspielen können. Wären wir ein wenig ruhiger geblieben, hätten wir vieles besser lösen und Situationen besser einschätzen können, wann man dann doch mal schnell spielen muss und wann nicht. Da haben wir auf jeden Fall einiges draus gelernt und bekommen hoffentlich dieses Jahr wieder die Chance.“

EN: „Wenn man sich unsere Mannschaft so anguckt, hat man das Gefühl, dass da wirklich eine Mannschaft auf dem Platz steht, dass es einen starken Zusammenhalt bei Euch gibt, während es bei vielen anderen Vereinen eher eine Zweckgemeinschaft ist. Woher kommt das?“

PK: „Viele kennen sich tatsächlich schon aus der Jugend. Jerry Karikari hat mit Deran Toksöz zusammen in der Hamburger Auswahl gespielt, Marin Mandic ist auch derselbe Jahrgang… Ich glaube, selbst wenn die nicht zusammen Fußball spielen würden, würden sich alle gut verstehen. Es ist echt eine klasse Truppe, einer lustiger als der andere.“

EN: „Wer ist denn bei Euch der Spaßvogel im Team?“

PK: „Marin Mandic. Der hat für alle einen Spruch. Aber an sich ist es nicht einer der witzig ist, sondern je nach Tagesform, jeder auf seine Art und Weise. Früher waren das Erdinc Güner (jetzt FC Süderelbe/Oberliga) und Morike Sako (jetzt Berater von seinem Bruder Bakary Sako/Crystal Palace), da hätte man einen Film draus machen können. Das wäre der lustigste Film aller Zeiten gewesen. Ich habe selten einen witzigeren Menschen erlebt als Edi Güner.“

EN: „Gibt es bei Euch eine klassische Hierarchie in der Kabine? Wer hat dort das Sagen?“

PK: „Das verteilt sich. In erster Linie Marin und Deran. Aber auch Jerry Karikari. Der ist zwar ein sehr ruhiger Typ, aber wenn er den Mund aufmacht, ist der Rest ruhig. Höcki natürlich, ab und an komme ich auch zu Wort, Lüne, Jordan, Stevo, Rosi… es gibt eigentlich keinen, der nicht mal seine Meinung sagt oder einen Vorschlag hat, wir haben da wie schon gesagt eine sehr flache Hierarchie.“

EN: „Während viele Vereine mit der „Söldner-Problematik“ zu kämpfen haben, hat man als Außenstehender bei uns nicht das Gefühl, dass die Jungs beim erstbesten Angebot gleich den Verein wechseln.“

PK: „Nee, die wissen alle, was sie hier am Verein haben. Nicht nur sportlich, auch jemand wie Said (Anm.: unser Zeugwart, gute Seele und all-around-great-guy) gehört dazu. Said kann Geschichten erzählen… aber das würde jetzt zu weit führen.“

EN: „Gut, dann biegen wir jetzt ab auf die Zielgerade… unter vielen Fans sind Zweitmannschaften immer ein Diskussionsthema und selten gern gesehen. Wie stehst du als Spieler zu Zweitmannschaften. Ist das eine besondere Herausforderung? Ist das ein Gegner wie jeder andere? Oder lernt man daraus eventuell sogar was, da die ja unter Profi-Bedingungen arbeiten?“

PK: „Also die lernen daraus wahrscheinlich sogar mehr als wir. Die beste Geschichte war immer noch die von Gideon Jung und Jan Lüneburg, das hatte mein Vater im Interview ja schon erzählt. Der HSV kommt – unter Trainer Joe Zinnbauer noch ungeschlagen – hierher und verliert 4:1. Gideon Jung hat irgendwann mal erzählt, dass er in der Kabine zu Zinnbauer meinte „Trainer, der Stürmer von denen, bei jedem Ball tritt der mich. Ob der den Ball hat oder nicht, er tut mir jedes mal weh.“ Da guckt Zinnbauer ihn an und meinte nur „Gideon, herzlich willkommen im Herren-Fussball.“ Der hat’s anscheinend begriffen und spielt jetzt Bundesliga. Wie gesagt, die haben, denke ich, mehr davon als wir. Ich finde es nicht schlimm, weil die nur Fußball spielen wollen. Das ist mir lieber als wenn ich Nackenstarre bekomme, weil der Torwart den Ball immer nur lang nach vorne haut. Für mich ist das ein ganz normales Spiel wie jedes andere auch.“

EN: „Wenn du einen deutschen Spieler deiner Wahl zu Eintracht Norderstedt holen würdest… wer wäre das?“

PK: „Ich würde Oliver Kahn holen. Den stell ich auch mit 45 noch ins Tor.“ (lacht und überlegt) „Fußballerisch ist das schwierig. Du hast in Deutschland keinen überragenden Spieler. Die sind alle sehr, sehr, sehr, sehr gut. In den meisten Ländern hast du einen Top-Spieler, der alle überragt. In Deutschland hast du eine Top-Mannschaft. Ich könnte jetzt sagen Hummels. Aber dann muss ich sagen, ist der Boateng ja auch nicht schlechter. Dann nehmen wir Toni Kroos. Oder vielleicht doch Ilkay Gündogan, der ist ein bißchen torgefährlicher. Özil. Ja gut, manchmal arbeitet er nicht mit nach hinten. Aber manchmal entscheidet er auch Spiele alleine… Wenn ich mich festlegen müsste, würde ich Thomas Müller nehmen, der würde auch vom Typ her voll rein passen, das wäre lustig mit dem. Der würde sich auch direkt mit allen verstehen.“

EN: „Jetzt drehen wir die Frage mal um… in welcher Mannschaft würde Philipp Koch gerne mal spielen?“

PK: „Als Bayern-Fan ist Bayern natürlich naheliegend. Aber wer würde nicht mal gerne bei Barcelona oder Real Madrid mitspielen. Wenn es jetzt auf ein Spiel begrenzt ist, ist mir das scheißegal. Dann würde ich sagen „ich würde gerne mal das Champions League Finale spielen. Egal bei wem.“ Oder ein WM-Finale. Wenn ich dafür nach Eritrea auswandern müsste, würde ich auch das machen. Einen Herzenswunsch habe ich da nicht, das hängt eher mit dem Spiel zusammen, nicht mit der Mannschaft.“

EN: „Unsere Abschlußfrage, die jeder mit auf den Weg bekommt: Wenn einer fragt: „Warum soll ich zu Eintracht Norderstedt kommen, wenn ich auch zum HSV/St. Pauli gehen kann…“ was sagst du ihm?

PK: „Weil es hier ansehnlichen Fußball gibt, der sich meines Erachtens besser ansehen lässt als HSV oder St. Pauli. Natürlich ist es ein anderer Level, aber trotzdem angenehmer anzugucken.“

EN: „Vielen Dank für dieses offene Interview, Philipp, und viel Erfolg im Oddset-Pokal.“