Jordan Brown (Oktober 2018)

Diesen Monat stellt sich unser Kapitän Jordan Brown im „Interview des Monats“ vor. Jordy stammt aus der Eintracht-Jugend, spielte einige Zeit im Profi-Fussball, war in der Schweiz aktiv und kehrte vor zwei Jahren in seine fußballerische Heimat zurück. Warum er das gemacht hat, wie er die Schnelllebigkeit des Profi-Fussballs am eigenen Leib erfahren hat, wie er den Wechsel in die Schweiz erlebt hat, was an ihm typisch Deutsch und was typisch Jamaikanisch ist, warum ein Regionalligist auch einen Bundesligisten schlagen kann und wie es um eine Nominierung für die jamaikanische Nationalmannschaft steht, verrät er in unserem Interview des Monats.

EN: „Hallo Jordan, schön, dass du dir die Zeit für unser Interview nimmst. Magst du dich den Leuten kurz vorstellen.“

JB: „Klar. Ich glaube, ich bin Jordan Brown…“

EN: „…glaubst du?“

JB: „Ja, ich glaube schon.“ (beide lachen) „Ich bin 26 Jahre alt und studiere Sport-Management in einem Fernstudium. Mit dem Studium habe ich schon zu meiner Zeit in der Schweiz begonnen und bin jetzt kurz vor dem Ende. Ich bin ziemlich eingenommen davon, weil es ein sehr zeitintensives Unterfangen ist. Man bekommt die Bücher nach Hause geschickt und muss sich das dann alles reinpfeffern.“

EN: „Da gehört eine Menge Selbstdisziplin zu, oder?“

JB: „Ja, und das war ehrlich gesagt nie meine Stärke und ist mir am Anfang sehr schwergefallen, aber jetzt geht es. Ich muss noch die Hausarbeit, die Bachelorarbeit und zwei Klausuren schreiben und dann bin ich durch. Und dann muss ich sehen was ich mache.“

EN: „Wo liegen deine Interessen neben Fußball und Studium?“

JB: „Ich verbringe sehr viel Zeit mit meiner Freundin, meinen Kumpels und mit der Familie. Viel Zeit für anderes bleibt gar nicht. Viele sagen ja ‚uuuh, Regionalliga…‘ und wissen gar nicht was dahinter steckt. Aber es ist wirklich sehr zeitintensiv.“

EN: „Die Regionalliga gilt ja als die schwierigste aller Ligen, weil du nahezu auf Profi-Niveau Fußball spielst, aber mit Job oder Studium eine Doppelbelastung hast. In den höheren Ligen kannst du dich auf Fußball konzentrieren, in den unteren Ligen trainierst du weniger und hast auch kürzere Strecken.“

JB: „Genau, dadurch dass die Regionalliga eine Semi-Profi-Liga ist, ist das wirklich sehr, sehr schwer unter einen Hut zu bringen. Du hast auf der einen Seite die Nachwuchs-Leistungsmannschaften, die unter absoluten Profi-Bedingungen arbeiten. Und dann hast du eben Mannschaften wie Norderstedt, wo es darum geht, irgendwie diesen Spagat zwischen Berufsleben und Fußball zu schaffen. Das ist natürlich sehr undankbar, aber wir haben es uns ja selber ausgesucht und freuen uns, dass wir unserem Hobby auf diesem Niveau nachgehen können. Natürlich bekommen wir auch ein bißchen Geld dafür, aber für die meisten ist es wirklich die Freude am leistungsbezogenen Fußball.“

EN: „Wie bewertest du die Qualität der Regionalliga?“

JB: „Man sieht ja im DFB-Pokal die aktuelle Spanne zwischen Regionalliga und Bundesliga. Natürlich gibt es da Unterschiede, völlig klar. Aber vor etwa zehn Jahren sind DFB-Pokal-Spiele noch regelmäßig 7:0, 8:0 ausgegangen. Heute haben wir den VfL Wolfsburg am Rande der Niederlage oder Bayern quält sich zu einem 1:0 in Drochtersen. In einem Spiel kann man heute – auch als Regionalligist – mit einem Bundesligisten auf Augenhöhe agieren.“

EN: „Kann man das erklären?“

JB: „Ich glaube, das ist auch eine mentale Frage. Ich war zwar bei unserem DFB-Pokal-Spiel gegen Fürth noch nicht dabei, aber ich denke schon, dass man gegen einen Bundesligisten wie Wolfsburg, der wenige Jahre vorher Deutscher Meister war und einen Kader mit absoluten Top-Namen hat, mit einer anderen Spannung rangeht, als gegen einen Zweitligisten. Natürlich ist man auch da heiß, aber es ist schon noch etwas anderes als gegen eine Millionen-Truppe wie Wolfsburg zu spielen.“

EN: „Das heißt, ihr habt aus diesen Spielen einiges mitgenommen.“

JB: „Ganz ehrlich: ich denke, wenn wir wieder den Oddset-Pokal gewinnen sollten und einen Zweitligisten zugelost bekommen, können wir auf Augenhöhe agieren und ihn an einem guten Tag schlagen.“

EN: „Du bist halb Deutscher, halb Jamaikaner, in Hamburg geboren…“

JB: „… und in Hamburg aufgewachsen, ja.“

EN: „Was an die ist typisch Deutsch, was ist typisch Jamaikanisch?“

JB: „Ich glaube ich bin wirklich so ein Zwischending, so eine klassische Mischung.“ (lacht) „Es gibt Sachen, da mache ich mir wirklich mega einen Kopf drum und versuche das extrem diszipliniert anzugehen. Wie beim Studium, da bin ich wirklich…“

EN: „..deutsch?“

JB: „Ja, total deutsch, sehr diszipliniert, anders geht es nicht. Das Jamaikanische an mir ist, glaube ich, dass ich wirklich alles mit einem Lächeln sehen kann. Ich nehme mich selbst nicht so ernst, ich nehme mein Umfeld nicht so ernst, habe da seine sehr entspannte Grundeinstellung. Ich denke, da spiegelt sich diese Mischung sehr gut wider.“

EN: „Wäre es für dich mal ein Ziel, für die jamaikanische Nationalmannschaft zu spielen?“

JB: „Das war tatsächlich mal Thema, ja. Jetzt ist der Zug aber wohl abgefahren. Die haben sich komplett neu ausgerichtet, der Jugendwahn ist jetzt auch auf Jamaika ausgebrochen, da habe ich wohl keine Chance mehr. Zu meiner Schweizer Zeit war ich mal kurz vor einer Nominierung, Winfried Schäfer war damals Nationaltrainer von Jamaika. Letztendlich hat es aber nicht geklappt. Mein Berater meinte, es hätte daran gelegen, dass mein Pass nicht schnell genug da war. Ich glaube allerdings schon, dass es da ein paar Ausnahmeregelungen gibt, mit denen es funktioniert hätte. Hat leider nicht geklappt, sehr, sehr schade. Denn Jamaika hatte da gerade ein Länderspiel gegen die Schweiz. Leider kam der Anruf dann nicht, ich hätte es aber auf jeden Fall gemacht. Da sich für mich die Frage nie gestellt habt, ob ich für Jamaika oder Deutschland spielen wollen würde, wäre das eine eindeutige Sache gewesen.“ (lacht) „Ich trauere dem aber nicht hinterher. Wenn Jamaika spielt und das von der Zeitverschiebung her passt, gucke ich mir das auch ganz gerne mal an.“

EN: „Wie hat das mit dem Fußball bei dir angefangen?“

JB: „Aufgewachsen bin ich zunächst in Langenhorn, später sind wir nach Duvenstedt gezogen. Seit ich laufen kann, habe ich immer gegen den Ball getreten. Und irgendwann war ich plötzlich im Verein, weil mein Bruder auch im Verein war. Da hat man so ein, zwei Mal die Woche trainiert. Am Anfang war ich mit Kindern im Verein, die gar keine Lust auf Fußball hatten. Ich erinnere mich schwach, da waren Kinder bei, die dann die Linie auf und ab gegangen sind oder im Sand gespielt haben… da habe ich mich damals schon sehr drüber aufgeregt, dass nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit gespielt wurde.“ (lacht) „Gespielt habe ich zuerst beim Hummelsbüttler SV, nach dem Umzug nach Duvenstedt habe ich eben in Duvenstedt weitergespielt. Mein damaliger Trainer hat mich zum Sichtungslehrgang der Hamburger Auswahl angemeldet, seitdem hat sich das alles leistungsbezogen entwickelt. Von Duvenstedt bin ich dann 2004 zu Concordia gewechselt, das war glaube ich im ersten C-Jugend Jahr. Von da aus bin ich dann zum jüngeren A-Jugend-Jahrgang nach Norderstedt gekommen.“

EN: „Auf welcher Position hast du in der Jugend gespielt?“

JB: „Am Anfang habe ich auf der Sechs gespielt, dann rechtes Mittefeld. Das waren so die Hauptpositionen. Manchmal auch links. Wir haben damals in Norderstedt unter Andreas Prohn (Anm.: trainierte heute die U19-Bundesliga-Mannschaft vom Niendorfer TSV) trainiert, das war eine Super-Zeit. Wir hatten im ersten Jahr Verbandsliga eine Super-Mannschaft, waren nach HSV und St. Pauli die beste Hamburger A-Jugend. Ich habe damals schon mit Philipp Koch zusammengespielt, Isaac Akyere (aktuell bei Teutonia 05), Flitzer Rafael Monteiro und Moritz Mandel, alles super Fußballer, waren auch in dem Team. Wir sind dann Meister geworden und in die A-Regionalliga aufgestiegen. Ich als jüngerer Jahrgang konnte dann auch noch ein Jahr A-Regio spielen. Wobei ich schon in der B-Jugend mit Cordi Regionalliga gespielt habe. Da haben wir am letzten Spieltag den Aufstieg in die Bundesliga klar gemacht. Leider war ich älterer Jahrgang und konnte den Weg dann nicht mitgehen. Das hat mich geärgert, ich hätte wirklich gerne B-Jugend-Bundesliga gespielt.“

EN: „Nach der Jugend-Zeit hast du noch ein Jahr bei uns Oberliga gespielt.“

JB: „Genau, ich wurde nach der U19 mit zwei weiteren Spielern hochgezogen. Das erste Herrenjahr war eine große Umstellung, Jugend-Fußball ist schon eine ganz andere Geschichte. Aber ich habe mich da gut zurechtgefunden. Ich habe eigentlich eine Scheiß-Vorbereitung gespielt und war überhaupt nicht zufrieden. Allerdings hatte Philipp Koch sich gleich im ersten Pokalspiel der Saison, bevor die Saison losging, verletzt. Ich kam dann für ihn rein, damals noch auf der Sechs, und habe eigentlich ein ganz gutes Spiel gemacht. Das war noch auf Grand bei Alstertal/Langenhorn. Dadurch konnte ich mich dann auch für die Oberliga empfehlen und habe gleich in meinem ersten Oberliga-Spiel gegen den FC St. Pauli – damals noch mit Deran Toksöz – ein Tor gemacht. Trotz gutem Spiel haben wir leider 1:2 verloren. Ansonsten lief das erste Herrenjahr für mich sehr erfolgreich, ich habe relativ viele Spiele gemacht (Anm.: 28 Spiele, 7 Tore), was für jemanden, der gerade aus der Jugend hochkommt, ja auch nicht selbstverständlich ist.“

EN: „Zuletzt haben wirklich relativ wenige Spieler den Sprung geschafft, aus der U19 im Herrenbereich Stammspieler zu werden.“

JB: „Was ja aber auch kein Wunder ist. Es ist eine ziemliche Umstellung, es ist körperlich was ganz anderes, es herrscht ein anderer Umgangston, man hat immer ein paar Haudegen in der Mannschaft. Ich habe in meinem ersten Jahr noch mit unserem heutigen Co-Trainer Stefan Siedschlag zusammengespielt, der hat mir auch immer ein paar Sprüche reingedrückt.“ (lacht) „Nachdem das erste Jahr Oberliga für mich gut lief, habe ich ein Angebot vom HSV für die zweite Mannschaft bekommen, die damals Regionalliga gespielt hat, und bin dahin gewechselt. Im ersten Jahr hatten wir da eine sehr, sehr starke Mannschaft mit damals trotz jungen Alters schon sehr erfahrenen Spielern wie Gerrit Pressel, Sören Bertram (aktuell Erzgebirge Auge/2.Liga), Reagy Ofuso (zuletzt Spartak Trnava/1.Slowakische Liga) oder Zhi Gin Lam (aktuell R&F Hongkong/1. Liga). Da habe ich mich sehr schwergetan und nicht viel gespielt. Im zweiten Jahr lief es deutlich besser. Danach habe ich meinen Vertrag nicht verlängert und bin in die Schweiz gewechselt.“

EN: „Warum?“

JB: „Ich war 21 Jahre alt und wusste, dass es schwer wird, den Sprung in die Bundesliga zu schaffen. Ich hätte beim HSV verlängern und dort weiter Regionalliga spielen können. Oder ich wage eben den Schritt in die Schweiz und spiele dort 2. Liga.“

EN: „Also einmal raus der Komfortzone raus, weg von Familie und Freunden?“

JB: „Ja, das war ein Hammerschritt für mich. Ich wurde vom FC Wil zum Probetraining eingeladen, konnte überzeugen und dann hieß es ‚gut, fahr mal nach Hamburg, hole deine Sache und übermorgen bist du wieder da.‘ Und dann hat man erst einmal realisiert wie das abläuft, zack, zack. Also bin ich acht Stunden mit dem Auto zurück nach Hamburg gefahren, habe meine Sachen gepackt, mich von meinen wichtigsten Leuten verabschiedet und war dann weg… Da habe ich dann die erste Profi-Luft geschnuppert. Das war eine tolle erste Saison, wir waren relativ erfolgreich und wären fast aufgestiegen. Mein zweites Jahr in Wil ging nur bis zur Winterpause.“

EN: „Dann bist du zu Grashoppers Zürich gewechselt.“

JB: „Michael Skibbe war damals Trainer bei den Grashoppers. Wir haben uns schon vorher lange unterhalten, auch mit dem Sportchef. Wir hatten über längere Zeit Kontakt und sie haben einen kleinen Plan entwickelt, wie sie mich sehen, wie sie mich aufbauen wollen, wie ich auf meine Einsatzzeiten komme. Das klang alles sehr, sehr gut. Im Winter haben sie mich dann geholt. Nur: wenige Stunden nachdem ich unterschrieben hatte, hat Skibbe um die Freigabe gebeten und ist in die Türkei gewechselt. Die Vorbereitung hat dann sein Co-Trainer geleitet, das war alles in Ordnung. Dann kam aber ein neuer Trainer, der mich nicht kannte, ich war nicht sein Wunschspieler und schnell außen vor. Dann wurde auch noch der Sportchef entlassen und ich war, als Mitbringsel des ex-Trainers, ohne Lobby. Ich habe in der Zeit nur zwei Ligaspiele gemacht und einmal im Pokal gespielt. Das war mir viel zu wenig und ich hatte auch nie das Gefühl, mal eine Chance zu kriegen. Es war eine sehr schwierige Zeit für mich. Ich war in einem fremden Land, in einer neuen Stadt und nur wegen Fußball da und dann kannst du das, wofür du da bist, nicht machen. Da hatte ich ordentlich dran zu knabbern.“

EN: „Und dann hast du für dich entschieden, den Verein zu verlassen?“

JB: „Ja, man überlegt dann, was man als Nächstes macht, weil die Aussicht, dass ich mal eine Chance bekomme, auch nicht da war. Wir haben dann im Sommer entschieden, dass ich zum FC Wohlen in die 2. Liga ausgeliehen werde. Das war aber auch nicht so eine prickelnde Zeit. Das waren komische Strukturen und hat einfach nicht gepasst. Daraufhin haben wir uns zusammengesetzt und den Vertrag aufgelöst. Und nun bin ich wieder hier.“ (lacht)

EN: „Also einmal einen Schritt zurück machen, um wieder neu Anlauf zu nehmen?“

JB: „Ein Schritt zurück war das nur räumlich.“ (lacht) „Ich habe mir dann überlegt, was will ich? Will ich etwas hinterherlaufen? Ich hatte ein paar Angebote aus dem Ausland, aber das waren Länder, die nicht unbedingt für großen Fußball stehen wie Moldawien, Rumänien und so. Das waren für mich keine Optionen, da hätten sie mir schon Millionen zahlen müssen.“ (lacht) „Aus Israel hatte ich noch eine ziemlich gute Anfrage, aber das konnte ich mir alles nicht vorstellen. Ich war dann erst einmal vereinslos und dann hat sich Reenald bei mir gemeldet.“

EN: „Ich wart über Umwege aber sowieso immer in Kontakt, du hast ja einen sehr guten Draht zu Philipp, soweit ich weiß?“

JB: „Ja, wir haben zwischendurch immer wieder losen Kontakt gehabt, das stimmt. Ich habe gemerkt, dass der ganz große Sprung nach oben nicht klappt und die Luft immer dünner wird. Ich will auch gar nicht sagen, dass ich nur Pech hatte, am Ende setzt sich dann doch die Qualität durch und da hat es bei mir dann nicht für ganz oben gereicht, das muss man dann auch mal klar so sagen. Mit ein bißchen mehr Glück wäre es vielleicht anders gelaufen, das Glück hatte ich nicht. Also habe ich meine Prioritäten anders gesetzt und gesagt ‚okay, dann ziehe ich mein Studium durch‘. Und dann liegt der Gedanke natürlich nah, in die Heimat zurück zu gehen, wo Familie und Freunde sind.“

EN: „Und wann war Eintracht Norderstedt die erste Adresse?“

JB: „Eintracht Norderstedt ist mein Heimatverein, dem ich immer sehr verbunden war. Ich habe auch beim HSV und in der Schweiz immer die Ergebnisse verfolgt und dachte mir dann: warum nicht? Die Mannschaft hat viel Potenzial. Hier ist meine Heimat, hier fühle ich mich wohl, hier möchte ich erfolgreich Fußball spielen. Hier möchte ich mein Studium fertig machen und nebenbei Fußball spielen. Vorher habe ich ja Fußball gespielt und das Studium nebenbei gemacht. Wichtig war für mich, dass man irgendwann einsieht, dass es für ganz oben nicht reicht, einen Schlußstrich zieht und sich andere Ziele im Leben setzt. Das habe ich geschafft. Ich trauere dem aber nicht hinterher, ich habe viele Erfahrungen und schöne Momente gesammelt, das kann mir keiner mehr nehmen.“

EN: „Du hast schon gesagt, dass die Schweiz für dich eine sehr wichtige Erfahrung war. Wie war es für dich, Hals über Kopf die Heimat zu verlassen und zum ersten Mal, weit weg von zuhause, auf eigenen Beinen zu stehen?“

JB: „Das war anfangs sehr aufregend, zum ersten Mal von zuhause weg, zum ersten Mal alleine zu wohnen. Plötzlich fallen die klassischen Sachen an wie Wäsche waschen oder kochen. Das ging aber ohne Probleme. Die Mentalitätsunterschiede sind aber doch sehr aufgefallen. In Deutschland ist ja schon alles sehr geregelt und strikt, aber das ist nichts gegen die Schweiz. Da ist wirklich alles penibel geregelt. Das hat natürlich auch Vorteile, kann einem aber auch ziemlich auf die Nerven gehen. Um mal ein Beispiel zu nennen: es gab in meiner Wohngegend keine Parkplätze, ich musste einen Kilometer weit weg parken. Und wenn du dann mal außerhalb der gekennzeichneten Flächen parkst, bekommst du sofort ein Ticket. Und das sind dann nicht wie hier vielleicht 10 Euro, sondern gleich mal 50 Euro oder mehr… Aber dafür hat man dort auch eine sehr hohe Lebensqualität, die Schweiz ist ja ein sehr wohlhabendes Land. Ich habe in St. Gallen und in Zürich gelebt. Zürich ist eine Weltstadt, wunderschön, gerade im Sommer am Zürcher See. Ich bin ja ein Riesen-Hamburg-Fan, aber Zürich macht Hamburg da echt Konkurrenz. Aber für mich war es ein wichtiger Schritt im Leben, komplett auf mich allein gestellt und unabhängig zu sein. Ich bin froh, dass ich diesen Schritt gegangen bin.“

EN: „Unterscheidet sich der Fußball in der Schweiz groß von dem Fußball, wie du ihn von hier kanntest?“

JB: „Wenn man es vergleichen müsste, ist die 1. Liga in der Schweiz in etwa wie die 2. Liga in Deutschland, wobei man da Vereine wie Basel oder Bern rausnehmen muss, die sicher auch in der Bundesliga mitspielen könnten. Die 2. Schweizer Liga ist vom Niveau her wie hier die 3. Liga. Es ist ein sehr sauberer Fußball, der sehr taktisch geprägt ist. Die Schweiz hat verschiedene Einflüsse, die man auch im Fußball merkt. Wenn man gegen Mannschaften aus dem italienisch-sprachigen Teil gespielt hat, hat man die italienische Taktik schon gespürt. Fußballerisch ist die Schweit auf jeden Fall ein Land, das im Kommen ist, weil da eine sehr gute Jugendarbeit geleistet wird und sie sich überall orientieren. Sie haben Einflüsse aus Deutschland, Italien, Frankreich und entwickeln sich damit sehr gut. Es war im Großen und Ganzen ein schöner Fußball, eher taktisch als körperlich. Es hat viel Spaß gemacht, dort zu spielen.“

EN: „Du bist als Mittelfeldspieler zu uns gekommen und spielst aktuell hauptsächlich als Rechtsverteidiger. Macht das für dich einen Unterschied?“

JB: „Ja, tatsächlich, es macht einen ziemlichen Unterschied, obwohl die Positionen ja verwandt sind. Mittlerweile spiele ich fast lieber hinten rechts, weil ich dann das gesamte Spiel vor mir habe und viel Einfluß auf die Offensive nehmen kann. Aber ich beschwere mich auch nicht, wenn ich rechts vorne spiele oder links. Ich habe überall schon mal reingeschnuppert.“

EN: „Seit dieser Saison bist du Kapitän von Eintracht Norderstedt. Was bedeutet das Amt für dich?“

JB: „Mir bedeutet das Amt viel, da ich die Mannschaft eines Vereines repräsentiere, der mir sehr am Herzen liegt und dem ich viel zu verdanken habe. Seit ich hier bin, habe ich Eintracht immer als meinen Heimatverein bezeichnet, weil ich hier fußballerisch erwachsen geworden bin. Von daher ist es für mich eine große Ehre.“

EN: „Was sind deine Aufgaben als Kapitän?“

JB: „Die Kapitänsbinde auf dem Spielfeld zu tragen ist eigentlich die geringste Verantwortung, das drumherum nimmt viel mehr ein. Ich bin eine Art Mediator in der Mannschaft, muss versuchen die Stimmungen aufzunehmen und zwischen einzelnen Parteien zu vermitteln. Ich versuche auf und neben dem Platz Verantwortung zu übernehmen und eine Vorbildfunktion einzunehmen.“

EN: „Da du ja vorher schon eine Art Führungsspieler warst, ist das für dich aber nicht die ganz große Umstellung, oder?“

JB: „Nein, das nicht. Aber es ist trotzdem schon etwas Neues, weil man eben ein stückweit im Mittelpunkt steht und die Erwartungshaltung ist, dass man auch in schwierigen Momenten Verantwortung übernimmt und Rede und Antwort steht. Da muss ich dann eine Führungsrolle übernehmen und vorangehen.“

EN: „Kommen wir zu dem Block mit den Standard-Fragen. Wenn du über deine bisherige Karriere nachdenkst, welche Erlebnisse sind hängen geblieben?“

JB: „Ich habe eigentlich immer schöne Erlebnisse und das sind die Kreisspiele vor dem Training.“ (lacht) „Wir haben da viel Spaß, weil man mit den Jungs viel Quatsch machen kann. Und wenn die mal nicht so nett zu einem fahren, kann man sie da schön fußballerisch vorführen.“ (beide lachen) „Vorallendingen hier macht das Kreisspiel viel Spaß. Könnte allerdings etwas länger sein, weil wir das immer nur zum Aufwärmen spielen. Ein wirklich negatives Erlebnis habe ich nicht. Jede Niederlage tut weh, aber es ist jetzt nicht so, dass ich an einer Niederlage mal zerbrochen wäre.“

EN: „Welche Ziele hast du generell noch im Fußball?“

JB: „Ich möchte auf jeden Fall den Oddset-Pokal gewinnen, das möchte aber wohl der ganze Verein. Und dann möchte ich Euch auch das Potenzial, was in uns steckt, mal über eine gesamte Saison abrufen, dann wäre auch ohne Träumerei mal ein Platz unter den ersten Dreien drin. Norderstedt hat eine super Struktur, Infrastruktur und ein super Umfeld, deswegen bin ich auch hergekommen. Da denke ich, dass es nicht vermessen wäre, mal die Top 3 anzupeilen.“

EN: „Du hast vorhin Eintracht Norderstedt als deinen Heimatverein, deinen Herzensverein bezeichnet. Was zeichnet für dich Eintracht Norderstedt aus?“

JB: „In erster Linie die familiäre Atmosphäre. Mal unabhängig von den vorhandenen familiären Beziehungen im Verein. Das Umfeld und das Miteinander ist das, was den Verein auszeichnet. Es ist ein sehr junger Verein, der sich in Hamburg und auch in Deutschland mittlerweile einen Namen gemacht hat. Der Verein ist auf einem guten Weg, eine feste Größe im Fußball zu werden, wenn er es nicht schon ist.“

EN: „Wenn du einen deutschen Spieler deiner Wahl zu Eintracht Norderstedt holen könntest… wer wäre das?“

JB: „Ich habe sogar zwei. Aber es darf nur einer sein, oder?“

EN: „Du bist Kapitän, du darfst ausnahmsweise auch zwei nennen.“

JB: „Als erstes würde ich Linus Meyer wiederholen. Der andere wäre Fabian Graudenz. Der spielt aktuell bei Energie Cottbus. Auch wenn das sicher nicht realistisch ist…“

EN: „Nach realistisch hat ja keiner gefragt, meine bisherigen Interview-Partner haben auch Ilkay Gündogan, Toni Kroos oder Marco Reus gesagt, das ist auch nicht so richtig realistisch… da Fabian Graudenz jetzt aber nicht unbedingt der größte Name im deutschen Fußball ist, sei die Frage erlaubt: wie kommst du auf ihn?“

JB: „Mit Fabian habe ich beim HSV gespielt. Er ist einer meiner besten Kumpels, wir telefonieren fast täglich. Ein wirklich einzigartiger Spieler, hat schlangenartige Bewegungen drauf, richtig gut im 1:1, sehr spielintelligent… bislang hat er noch nicht die Erfolge gefeiert, die seinem Potenzial entsprechen würden. In meinen Augen ein Riesen-Spieler, der Eintracht Norderstedt gut zu Gesicht stehen würde.“

EN: „Gibst es eine Mannschaft, in der du gerne spielen würdest?“

JB: „Barca. Ob ich da Fuß fassen würde, ist eine andere Geschichte.“ (lacht) „Aber da zu spielen mit diesen ganzen außergewöhnlichen Spielern wäre wirklich etwas ganz Besonderes.“

EN: „Wenn dich einer fragt: ‚Warum soll ich zu Eintracht Norderstedt gehen, wenn ich auch HSV/St. Pauli haben kann…‘ was sagst du ihm?“

JB: „In Norderstedt wird Fußball so gespielt, wie man ihn von früher kennt, wie man es sich vorstellt. Authentisch, Fannah, ohne Allüren. Ich denke, die Mannschaft zerreißt sich in jedem Heimspiel, auch wenn es mal nicht so gut läuft, so dass es sich lohnt, mal vorbei zu kommen. Hier wird echter Fußball gelebt und gearbeitet.“

EN: „Danke für das Interview Jordi, und alles Gute für den weiteren Saisonverlauf!“

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