Vereins-Chefin Julia Karsten-Plambeck im Interview

Vereins-Chefin Julia Karsten-Plambeck im Interview

07.02.2024

Seit Anfang Dezember steht Julia Karsten-Plambeck dem Verein als Interims-Präsidentin voran. Wir haben uns mit ihr getroffen und in Erfahrung gebracht, wie es ihr seitdem ergangen ist und was ihre Ziele sind. 

EN: „Es war eine echte Zäsur für Eintracht Norderstedt, als Reenald Koch Anfang Dezember nach zwanzig Jahren sein Amt zur Verfügung gestellt hat und du über Nacht in die erste Reihe gerutscht bist. Auch wenn schon länger durch den Verein geisterte, dass Reenald in absehbarer Zeit zurücktreten würde, war der Zeitpunkt doch für viele überraschend. Auch für dich?“ 

JKP: „Es war ein längerer Prozess mit Reenald. Mein Vater und ich haben uns schon länger darüber ausgetauscht, dass Reenald irgendwann aufhören möchte und uns überlegt, wie wir damit umgehen wollen. Da der Schritt schon länger geplant war, kam es weder für mich noch für die engsten Vertrauten überraschend, auch der Zeitpunkt nicht.“ 

EN: „Wie hast du deinen vergangenen zwei Monate als Präsidentin erlebt?“ 

JKP: „Ich bin ja aktuell noch Interims-Präsidentin, das möchte ich nochmal klarstellen. Ich wurde ja noch nicht gewählt. Die ersten Wochen waren auf jeden Fall mit viel Stolz erfüllt und allein die Aussicht zu bekommen, Präsidentin zu werden, finde ich unheimlich privilegiert und reizvoll. Und es freut mich sehr, dass auch Reenald das möchte und es in seinem Sinne ist, dass ich das Armt fortführe. Sonst hätte ich es auch nicht gemacht. Ich bin keine Marionette und werde meinen eigenen Weg gehen, aber ich möchte natürlich schon vom langjährigen Präsidenten grünes Licht bekommen. Das habe ich und wir sind auch jetzt noch wegen vieler Sachen im Austausch. Nach den ersten Wochen bin ich noch voller Neugier und voller Stolz.“ 

EN: „Wobei es dank der Winterpause ja noch relativ ruhige Wochen waren, oder?“ 

JKP: „Ja, die ersten Wochen waren recht ruhig, wir sind aber trotzdem im ständigen Austausch. Das Zusammenspiel hier im Verein ist mir sehr wichtig, ob mit Geschäftsführer Finn Spitzer, Sportchef Denny Schiemann, unserem Medienverantwortlichen Marcus Sellhorn, Platzwart Olli Schaper oder Team-Manager Olaf Bösselmann. Aber ich war ja schon vorher da und bin nicht komplett neu reingekommen, wir kennen uns alle schon lange. Ich bin auch ein großer Freund davon, die Aufgaben auf mehrere Schultern zu verteilen, allein kann ich das gar nicht stemmen. Von daher hat Reenald mit der Verpflichtung von Finn Spitzer als Geschäftsführer und Denny Schiemann als sportlichen Leiter schon die Weichen so gestellt, dass die Aufgaben auf mehrere Schultern verteilt werden.“ 

EN: „Du bist ja in vielerlei Hinsicht ein anderer Typ als Reenald, der auf Grund seiner langjährigen Zeit im Fußball natürlich auch eine ganz andere Basis hat. Wie wird sich das auf den Verein auswirken?“ 

JKP: „Natürlich ist er ein ganz anderer Typ, das fängt schon beim Geschlecht an. Aber klar, er hat die Messlatte schon sehr hochgelegt. Ich habe auf Grund unseres Familienunternehmens schon früh gelernt, weil ich immer meinem Papa nacheifern und in seine Fußstapfen treten wollte. Das hat mich am Ende aber todunglücklich gemacht. Von daher werde ich sicher nicht in die Fußstapfen von Reenald treten. Die sind groß genug, da passe ich nicht rein. Ich muss meinen eigenen Weg gehen, aber natürlich, ohne das zu vergessen, was er geleistet hat. Reenald hat ein Super-Fachwissen und ein Riesen-Netzwerk, was ich nicht habe, aber er hat schon früh angefangen, das Netzwerk sukzessive weiterzugeben. Nicht nur an mich, sondern auch an Finn oder Denny. Das ist auch wichtig, denn wie gesagt, meine Vision ist es, keine One (Wo)man Show zu sein, sondern alles auf mehrere Schultern zu verteilen.“ 

EN: „Wie war die Zusammenarbeit mit Reenald für dich?“ 

JKP: „Auch wenn wir in vielerlei Hinsicht unterschiedlich waren und sind, haben wir immer auf Augenhöhe miteinander gesprochen und nie ein schlechtes Wort übereinander verloren. Alle Gespräche waren von einer hohen Wertschätzung geprägt. Schon bevor ich bei Eintracht angegangen bin, habe ich mir oft seine Meinung als Unternehmer geholt, weil er auch da eine unheimliche Expertise hat. Das werde ich auch weiterhin machen, weil er ein mega-Typ und ein hervorragender Manager bzw. Präsident ist und war. Da wäre ich ja doof, wenn ich ihn nicht anrufen würde, wenn ich mal eine Frage habe.“ 

EN: „Demnach wird sich von der Grundausrichtung nichts ändern, nur von der Herangehensweise?“ 

JKP: „Vielleicht werden wir das Augenmerk noch mehr auf den Unterbau und die Jugend legen. Aber an der Grundauslegung wird sich nichts ändern, genau.“ 

EN: „Wie sieht es denn mit deinen Zielen aus, wo geht die Reise mittel- bis langfristig hin?“ 

JKP: „Als ich damals als Vize-Präsidentin angetreten bin, war mein Ziel, mehr Zuschauer ins Stadion zu holen. Das habe ich leider nicht erreicht, das muss man ganz ehrlich sagen. Was die Ziele angeht, müssen wir mit der Stadt sprechen… viel hängt davon ab, wie es mit unserer Anlage weitergeht. Können wir das Stadion sanieren, werden immer nur die notwendigen Sachen geflickt… das ist schon mal Punkt 1. Unabhängig davon, wie diese Gespräche ausgehen, werde ich mich dafür einsetzen, dass wir mehr in den Breitensport gehen – aber auch das hängt natürlich davon ab, ob wir mehr Trainingsplätze bekommen oder uns anderweitig zur Verfügung gestellt werden. Ein ganz klares Ziel bleibt für mich auch weiterhin, Frauenfußball anzubieten – auch das hängt aber an der Platzthematik. Und dann geht es natürlich darum, interne Strukturen weiter auszubauen, den Verein Stück für Stück mehr zu professionalisieren, ohne dabei den Charakter und die DNA des Vereins zu verlieren. Wir sind ein reiner Amateurverein und das ist auch gut so, aber die eine oder andere Struktur darf man natürlich trotzdem verbessern.“ 

EN: „Als Frau in einer Führungsposition bist du im Fußball eher in der Minderheit. Ist das für dich etwas Besonderes und spürst du da eine besondere Verpflichtung oder siehst du das alles geschlechtsunabhängig?“ 

JKP: „Also ich habe zwar ein anderes Geschlecht, aber ich bin Unternehmerin, ich kann mit Menschen zusammenarbeiten, ich kann Entscheidungen treffen, ich kann Verantwortung übernehmen, ich kann mutig sein, das ist ja erstmal das, was in Führungspositionen gefragt ist. Natürlich ist ein Verein nicht mit einem rendite-orientierten Unternehmen zu vergleichen, gerade der Fußball ist da deutlich schnelllebiger. Ich glaube schon, dass das vom Geschlecht unabhängig ist. Ich glaube nur, dass die Herangehensweise anders ist. Wenn eine neue Stelle angeboten wird, sagt der Mann öfter mal „ja, ich kann das, ich mach das“, ohne darüber vorher nachgedacht zu haben. Und die Frau reflektiert da vorher mehr drüber, muss das erstmal besprechen, selbst prüfen, ob sie sich das zutraut und das kann… Ich glaube da kommt es ein bisschen her, warum noch nicht so viele Frauen in Führungspositionen sind.“ 

EN: „Also siehst du dich da nicht in einer besonderen Rolle?“ 

JKP: „Es ist sicherlich etwas Besonderes, Präsidentin eines Fußballvereins zu sein. Aber das würde ich auch sagen, wenn ich ein Mann wäre. Die Aufgabe ist geschlechts-unabhängig ein Privileg. Egal wer im Verein, ein Spieler, Trainer, Mitarbeiter. Alle nehmen mich einfach als Mensch wahr, das ist mir total wichtig.“ 

EN: „Ein Thema, das gerade unseren Stehplatz-Zuschauern ein Dorn im Auge ist, ist die teilweise Sperrung der Gegengerade. Wie ist denn hier der Stand?“ 

JKP: „Wir haben uns intern geeinigt, als Frau Schmieder zur neuen Oberbürgermeisterin gewählt wurde, dass wir sie erstmal ein bisschen in Ruhe lassen wolle bis sie sich ins Amt eingefunden hat und dann fangen wir an, Gespräche zu führen. Damit geht es jetzt los. Hier gibt es aber zumindest schon positive Zeichen, dass da bald Bewegung in das Thema kommt.“ 

EN: „Du hast ja eingangs schon ausdrücklich betont, dass du Interimspräsidentin bist. Das heißt ja, der Vorstand muss irgendwann wieder komplettiert werden. Gibt es da schon irgendwelche Tendenzen, wann das sein wird und in welcher Form ihr das machen werdet?“ 

JKP: „Da gibt es noch kein Datum. Ich fange jetzt an, Gespräche zu führen mit möglichen Kandidaten, aber da kann ich natürlich noch keine Namen nennen. Sobald wir da jemanden gefunden haben, werde ich zusammen mit dem- oder derjenigen einen Termin suchen und dann wird es eine außerordentliche Mitgliederversammlung geben. So ist zumindest der Plan. Und ja, ich betone immer, dass ich Interims-Präsidentin bin, weil mir schon mein Opa beigebracht hat, dass erst die Tinte trocken sein muss.“ 

EN: „Das ist sicherlich ein sehr vernünftiges Vorgehen. Du bist ja auch beruflich stark eingebunden, verheiratet mit einem Sohn, jetzt hast du noch die Vereinsführung inne. Wie kriegst du das alles unter einen Hut?“ 

JKP: „Ich habe erstmal natürlich mit meiner Familie drüber gesprochen, als Reenald mich gefragt hat, ob ich mir das vorstellen kann. Mein Mann kennt mich ja jetzt auch schon seit 2001 und der hat gesagt ‚Du bist bekloppt, wenn du das nicht machst.‘ Mein Mann hat es mal so umschrieben: Wenn ich von meinen Firmen erzähle, dann bin ich voller Leidenschaft und Engagement und ich mach das auch mit Herzblut. Aber wenn ich von Eintracht spreche, ist noch so ein Leuchten in meinen Augen. Natürlich ist das nicht ganz einfach, aber ich bin ein großer Freund von zwei Dingen. Erstens: Wenn man gut organisiert und strukturiert ist, dann kriegt man das sehr wohl unter einem Hut. Ich habe ja auch als Vizepräsidentin vorher schon Termine wahrgenommen. Zweitens: Wir haben bewusst die Struktur geschaffen mit Finn Spitzer und Denny Schiemann. Die Aufgaben, die Reenald allein gemacht hat, haben wir halt ein bisschen umverteilt. Wir haben ja auch noch Corinna als große Unterstützung in der Geschäftsstelle. Und im Zweifel müssen wir Aufgaben auch mal delegieren. Zudem hat sich sich ja auch die Arbeitswelt verändert. Vieles wird heute per Videocall oder von unterwegs per Telefon gemacht, das kommt mir sehr entgegen.“ 

EN: „Also bist du schichtweg weniger im Tagesgeschäft involviert als Reenald.“ 

JKP: „Ja, genau. Das war für mich auch entscheidend zu sagen, dass ich das mache. Das Tagesgeschäft, was Reenald viel gemacht hat, könnte ich gar nicht machen. Und wenn ich was mache, möchte ich es ja auch zu 100% machen und nicht hier ein bisschen, da ein bisschen. Ich habe auch nicht das Gefühl, dass ich mich zerreiße. Wenn jemand eine Antwort braucht, dann bekommt er die auch. Und ich kann für mich gut entscheiden, was Priorität A und was Priorität B ist.“ 

EN: „Was sind denn deine Wünsche und Ziele für das frisch gestartete Jahr 2024?“ 

JKP: „Grundsätzlich natürlich erst einmal Gesundheit für meine Familie, Freunde, alle Mitarbeiter, alle, die im Verein sind, einfach jedem Menschen. Denn Gesundheit ist das höchste Gut, was wir haben. Was ich mir noch wünsche, ist eine etwas andere Taktung von nicht so schönen Ereignissen auf dieser Welt. Was man jeden Tag in den Medien hört, was alles wieder auf einen einprasselt… die negativen Nachrichten sind in den letzten Monaten und Jahren too much geworden. Da wünsche ich mir für 2024 deutlich mehr positive Momente. Für den Verein wünsche ich mir natürlich, dass unsere Regionalliga Herren frühzeitig den Klassenerhalt schaffen und zur nächsten Winterpause noch im Pokal sind. Dann wünsche ich mir, dass die U23 in die Oberliga aufsteigt und die U19 in der Regionalliga bleibt. Und allgemein, dass wir einfach mit den Nachwuchsmannschaften stabil bleiben, dass wir wenig Wechsel haben und ein bisschen Kontinuität reinbekommen. Im nicht-sportlichen Bereich wünsche ich mir fruchtbare Gespräche mit der Stadt Norderstedt, um die ein oder andere Baustelle schließen zu können.“ 

EN: „Vielen Dank für das Gespräch.“ 

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